
Buchinformationen
| Titel | Sunbringer |
| Band | 2 von 3 |
| Autor | Hannah Kaner |
| Verlag | Piper |
| Übersetzung | Wolfgang Thon |
| ISBN | 978-3-492-70922-4 |
| Seitenzahl | 496 |
| Genre | High Fantasy |
| Bewertung | 4 von 5 Sterne |
Klappentext
Nach König Arrens Verrat ruft Elogast voller Wut zur Rebellion auf und entfesselt einen Krieg. Zu Skedis Entsetzen ist Inara fest entschlossen zu kämpfen. Je mehr er versucht, sie abzuhalten, desto schwächer wird das Band zwischen ihnen. Und nicht nur das – Skedi entdeckt, dass er nicht der einzige Gott ist, mit dem Inara eine Bindung eingehen kann. Währenddessen hat Kyssen keine andere Wahl, als sich gegen ihre Freunde zu richten: Sie muss den König um jeden Preis retten …
Meine Meinung
Nach dem „Godkiller“ einen stabilen Grundstein gelegt hat, war die Erwartung an den zweiten Band der Trilogie groß – und „Sunbringer“ enttäuscht nicht. Im Gegenteil: Hannah Kaner gelingt es, vieles, was im ersten Teil noch roh und unausgereift wirkte, in diesem Band zu schärfen, zu vertiefen und zu verfeinern. Das Ergebnis ist ein temporeicher, emotional aufgeladener Fantasyroman, der seine Leser von der ersten Seite an mitreißt.
Während „Godkiller“ vor allem durch seine frische Welt und das ungewöhnliche Götterkonzept überzeugte, hatte es stilistisch noch einige Schwächen. Kaners Schreibstil wirkte teils sprunghaft, die Perspektivenwechsel gelegentlich holprig. „Sunbringer“ hingegen liest sich flüssiger, strukturierter und insgesamt literarisch reifer. Die Sprache ist nuancierter, die Szenenübergänge geschmeidiger, und auch das Worldbuilding wird diesmal subtiler, ohne an Atmosphäre zu verlieren.
Einer der größten Pluspunkte von „Sunbringer“ ist das unvorhersehbare, wendungsreiche Plotdesign. Kaner setzt geschickt Cliffhanger, baut die Handlung mit stetigem Tempo auf und versteht es, Spannung zu erzeugen, ohne ins Hektische abzurutschen. Gerade wenn man denkt, man habe die Richtung der Geschichte durchschaut, überrascht sie mit einer neuen Enthüllung oder einer plötzlichen Wendung. Dabei bleibt die Erzählung durchgehend fokussiert: Es gibt keine Längen, keine überflüssigen Nebenhandlungen. Alles dient der Charakterentwicklung und der Vorbereitung auf das große Finale.
Besonders positiv fällt die tiefere Charakterzeichnung auf. In „Godkiller“ waren viele Figuren interessant, aber oft noch zu skizzenhaft. In Sunbringer bekommen sie endlich den Raum, den sie verdienen. Skediceth, der Gott der Notlügen, wird nicht nur als mystische Macht, sondern als vielschichtige Figur mit innerem Konflikt und Entwicklung gezeigt. Seine Beziehung zu Inara, die einst rein funktional erschien, wächst zu etwas Emotionalem, manchmal auch Verstörendem – aber immer faszinierendem. Inara selbst macht vielleicht die größte Entwicklung durch. Vom naiven, schutzbedürftigen Mädchen zur eigenständig handelnden Figur mit klaren moralischen Vorstellungen – ihre Wandlung ist glaubwürdig, berührend und ein zentrales emotionales Rückgrat des Romans.
Auch die anderen Figuren – insbesondere die Rückkehr von altbekannten Charakteren wie Kissen und Elogast – bereichern die Geschichte spürbar und verleihen ihr zusätzliche emotionale Tiefe. Kissen sorgt mit ihrer temperamentvollen Art nicht nur für wilde Momente, sondern fungiert auch als eine Art moralischer Kompass in einer zunehmend von Chaos geprägten Welt. Elogast hingegen bringt mit seinem inneren Zwiespalt und den Nachwirkungen seiner Vergangenheit eine tragische Note in die Handlung, die wichtige thematische Fragen aufwirft: über Schuld, Vergebung und persönliche Verantwortung. Beide Figuren fügen sich nicht nur nahtlos in die neue Dynamik ein, sondern bekommen auch ihre eigenen, fein ausgearbeiteten Erzählbögen, die die Gesamtstruktur des Romans wirkungsvoll stützen.
Trotz aller Stärken bleibt „Sunbringer“ nicht ganz frei von kleineren Schwächen. Manche emotionale Entwicklung kommt etwas plötzlich, manche Nebenhandlung hätte mehr Raum verdient. Aber das schmälert den Gesamteindruck kaum: Kaner hat hier einen Mittelband geschaffen, der nicht bloß Brücke ist, sondern ein eigenes erzählerisches Gewicht trägt.
„Sunbringer“ ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie ein zweiter Band einer Trilogie nicht nur mithalten, sondern den ersten Teil übertreffen kann. Spannender, stilistisch runder, emotional tiefgründiger – Hannah Kaner findet ihre Stimme und lässt ihre Welt in all ihrer Widersprüchlichkeit erstrahlen. Wer „Godkiller“ mochte, wird „Sunbringer“ lieben. Und wer beim ersten Band noch skeptisch war, sollte diesem hier unbedingt eine Chance geben. Die Weichen für das Finale sind gestellt, die Konflikte spitzen sich zu – und man legt das Buch mit der drängenden Frage aus der Hand: Wie soll das nur weitergehen?
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