
Buchinformationen
| Titel | Der Splitter der Dämmerung |
| Band | Zusatzband |
| Autor | Brandon Sanderson |
| Verlag | Heyne |
| Übersetzung | Michael Siefener |
| ISBN | 978-3-453-32246-2 |
| Seitenzahl | 288 |
| Genre | High Fantasy |
| Bewertung | 4 von 5 Sterne |
Klappentext
Mitten in den sturmumtosten Weiten des Ozeans von Roschar liegt die Insel Akinah. Keiner von den vielen Abenteurern, die versucht haben, zu dieser Insel zu segeln, ist jemals zurückgekehrt. Doch nun beschließt Fürstin Navani Kholin, der Sache auf den Grund zu gehen, und entsendet ein Schiff. Denn das Kriegsglück hat sich gewendet, und vielleicht birgt die Insel wertvolle Hinweise im Kampf gegen die Bringer der Leere …
Meine Meinung
Brandon Sanderson hat mit den Sturmlicht-Chroniken ein literarisches Universum erschaffen, das in seiner Tiefe, Komplexität und emotionalen Wucht seinesgleichen sucht. Doch wer glaubt, dass nur die Hauptbände dieses gewaltigen Epos von Bedeutung sind, irrt. Mit der Novelle „Der Splitter der Dämmerung“ liefert Sanderson nicht nur einen Zusatzband zu seiner monumentalen Reihe, sondern auch einen bemerkenswerten Beitrag zum gesamten Kosmeer. In dieser vergleichsweise kurzen Geschichte steckt überraschend viel: neue Einblicke in die Welt Roschar, faszinierende Enthüllungen über die Machtstrukturen des Kosmeer – und eine Protagonistin, die sich durch Mut, Neugier und Menschlichkeit in die Herzen der Leser schreibt.
Im Zentrum steht Rysn, eine junge Thaylenerin, die man bereits aus früheren Bänden der Sturmlicht-Chroniken kennt. Nach einem schweren Unfall ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen – ein Umstand, der in Sandersons Werk nicht als Schwäche, sondern als Ausgangspunkt für Charakterstärke und Perspektivwechsel erzählt wird. Rysn erhält die Aufgabe, eine Expedition über das Meer anzuführen, die sie zu den geheimnisvollen Inseln der Großen Tiefe führt. Schon die Prämisse verspricht Abenteuer, und tatsächlich ist das Tempo dieser Novelle spürbar höher als in „Die Tänzerin am Abgrund“, der ersten Kurzgeschichte um die Welt Roschar. Wo die frühere Novelle gelegentlich ruhig und introspektiv wirkte, entfaltet „Der Splitter der Dämmerung“ eine durchgehend dichte Spannung: Hier geschieht auf jeder Seite etwas Relevantes, jedes Gespräch, jede Entdeckung und jede Gefahr fügt dem großen Puzzle des Kosmeer neue Teile hinzu.
Besonders ist vor allem, wie Sanderson das Motiv der Behinderung in eine fantastische Welt integriert, ohne Rysn auf diese Eigenschaft zu reduzieren. Ihr körperlicher Zustand ist präsent, prägt ihre Sicht auf die Welt und die Herausforderungen der Reise – doch im Mittelpunkt steht stets ihre Entschlossenheit, Verantwortung zu übernehmen und die Grenzen ihrer Situation zu überwinden. So wird „Der Splitter der Dämmerung“ nicht nur eine Abenteuergeschichte, sondern auch ein zutiefst menschlicher Text über Würde, Selbstvertrauen und das Streben nach Erkenntnis.
Darüber hinaus erweitert die Novelle das Verständnis von Roschar und dem Kosmeer auf bemerkenswerte Weise. Sanderson verwebt hier Themen und Konzepte, die bisher nur angedeutet wurden, zu einem deutlicheren Gesamtbild. Die Enthüllungen, die Rysn im Verlauf ihrer Expedition zutage fördert, betreffen nicht nur die Inseln oder ihre eigene Kultur, sondern berühren zentrale Mysterien, die Fans des Kosmeer seit Jahren beschäftigen. Damit wird „Der Splitter der Dämmerung“ zu weit mehr als einem bloßen Anhängsel der Hauptreihe – es ist ein verbindendes Werk, das das große Ganze des Kosmeer-Mythos vertieft und das Fundament künftiger Erzählungen stärkt.
Natürlich erreicht diese Novelle nicht die epische Wucht und emotionale Tiefe der Hauptbände der Sturmlicht-Chroniken – das kann sie auch gar nicht. Doch sie erfüllt eine andere, nicht minder wichtige Funktion: Sie verdichtet, ergänzt und öffnet neue Perspektiven. Wer Sandersons Welt liebt, erhält hier einen konzentrierten, aber bedeutungsvollen Einblick in das, was das Kosmeer so spannend macht: die Verflechtung von Schicksal, Macht, Kultur und Erkenntnis.
„Der Splitter der Dämmerung“ ist damit eine lohnenswerte Ergänzung für alle, die über die großen Kämpfe und Intrigen Roschars hinaus das tieferliegende Geflecht des Kosmeer verstehen wollen. Rysns Reise ist kurz, aber nachhaltig – sie zeigt, dass selbst in einer Welt voller Götter, Magie und Kriege die größten Entdeckungen oft aus Menschlichkeit und Mut entstehen.
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