
Buchinformationen
| Titel | Die Meerjungfrauen von Aberdeen |
| Band | 10 von 10 |
| Autor | Ben Aaronovitch |
| Verlag | dtv |
| Übersetzung | Christine Blum |
| ISBN | 978-3-423-26420-4 |
| Seitenzahl | 416 |
| Genre | Urban Fantasy |
| Bewertung | 2 von 5 Sterne |
Klappentext
Eigentlich wollte Peter nur Urlaub in Schottland machen – besser gesagt: Beverley wollte das. Aber dank eines Schafs mit ungeklärter Todesursache landet wenig später ein Großteil der Londoner Magiepolizei sowie Peters Familie mit erweitertem Anhang (nicht zuletzt Cousine Abigail) im schönen Aberdeenshire. Und spätestens als die Obduktion einer männlichen Leiche sehr ungewöhnliche Ergebnisse liefert, ist es mit dem beschaulichen Badeurlaub an der schottischen Küste vorbei.
Meine Meinung
Wenn man als Fan von Ben Aaronovitch in ein neues Abenteuer mit Peter Grant eintauchen möchte, erwartet man, dass sich die Story wie ein scharfkantiger Silberpfeil durch die Seiten schlängelt. Stattdessen reibt man sich irritiert die Augen und fragt sich: „Ist das wirklich der meisterhafte Magie-Mix, den ich da lese?“ Nun, die Antwort lautet leider: nicht einmal ansatzweise.
Wer Ben Aaronovitch kennt, weiß, dass seine „Flüsse von London“-Romane normalerweise eine Mischung aus Witz, Tempo und cleverer Magie bieten. Umso härter ist der Aufprall, wenn man in dieses Buch eintaucht und merkt: Hier schwimmt nichts davon. Statt spannender Strömungen erwartet den Leser eine plätschernde, gleichförmige Wasseroberfläche, unter der sich erstaunlich wenig bewegt.
Eines der größten Probleme liegt in der Erzählperspektive – und zwar so sehr, dass man sich beim Lesen manchmal fühlt wie ein Beifahrer, der plötzlich bemerkt, dass nicht mehr der Fahrer, sondern die Katze am Steuer sitzt. Der Roman springt abwechselnd zwischen der Ich-Sicht von Peter und Abigail, ohne dass der Leser davon zuverlässig in Kenntnis gesetzt wird. Keine Kapitelüberschrift, kein sanftes „Übrigens, jetzt spreche ich“, nicht einmal ein typisches literarisches Schulterklopfen, das einen auf den Wechsel vorbereitet. Stattdessen wird man in einen abrupten Tonfallwechsel hineingeworfen, und erst nach ein paar Absätzen dämmert es einem, dass man schon seit drei Seiten in Abigails Kopf herumturnt, während man immer noch dachte, man höre Peters Stimme.
Was theoretisch als raffiniertes Stilmittel hätte glänzen können – fließende Übergänge, zwei Perspektiven, die sich gegenseitig spiegeln und ergänzen – wirkt hier schlicht wie eine schlampige Regieanweisung. Die Folge ist nicht Spannung, sondern Verwirrung. Statt das Gefühl zu haben, man entblättere geschickt zwei Blickwinkel derselben Geschichte, stolpert man über die unsichtbaren Nahtstellen und fragt sich, ob man beim Lesen versehentlich eine Seite übersprungen hat.
Der Familienplot ist ein weiteres Ärgernis, das sich wie eine nasse Decke über die ohnehin schon lahme Handlung legt. Er wird mit einer Hartnäckigkeit in den Vordergrund geschoben, als hinge das Schicksal der Menschheit davon ab, was mit den Zwillingen ist. Statt Magie, Mysterium oder wenigstens einem moralischen Dilemma bekommen wir endlose Plaudereien über Familienbefindlichkeiten, die keinerlei Auswirkungen auf das eigentliche Geschehen haben. Es ist, als würde man während eines spannenden Krimis plötzlich zwanzig Minuten lang einer Nebenfigur beim Kartoffelschälen zusehen – und am Ende erfahren, dass die Kartoffeln für niemanden von Bedeutung sind. Man kann fast spüren, wie die Handlung jedes Mal die Handbremse zieht, sobald es um Peters „Happy Family“ geht. Tiefe oder emotionale Wucht sucht man hier vergeblich; das Ganze ist eher wie der obligatorische Pflichtbesuch bei Verwandten, den man nur übersteht, indem man innerlich schon plant, was man danach zur Belohnung essen wird.
Und damit sind wir bei der Spannungskurve – oder vielmehr ihrem Fehlen. Von der ersten bis zur letzten Seite verläuft die Handlung so flach wie eine frisch gebügelte Tischdecke. Keine Anstiege, keine plötzlichen Abgründe, kein Moment, in dem man mit angehaltenem Atem denkt: „Jetzt wird’s ernst.“ Stattdessen gleitet die Geschichte in einem konstanten, fast hypnotischen Tempo dahin, als würde man stundenlang mit Schrittgeschwindigkeit hinter einem Wohnwagen herfahren. Man hofft immer wieder auf eine plötzliche Beschleunigung, einen scharfen Plot-Twist, irgendein erzählerisches Schlagloch, das einen aufrüttelt – aber nichts dergleichen passiert. Am Ende hat man nicht das Gefühl, eine Reise mit Höhen und Tiefen hinter sich zu haben, sondern eher, einen unendlich langen, schnurgeraden Fußgängerweg entlanggelaufen zu sein, bei dem das einzig Spannende war, ob der nächste Laternenpfahl auch wieder so aussieht wie der vorherige.
Gerade deshalb wirkt das Buch insgesamt zu behütet. Peter und Abigail bleiben von jedem echten persönlichen Drama verschont, das sie wachsen lassen könnte. Es gibt keinen Schmerz, keinen Verlust, keine Entscheidung, die sie innerlich zerreißt. Wer Reihen wie die Dresden Files kennt, weiß, wie sehr sich Figuren entwickeln können, wenn sie durch Höllenfeuer gehen. Hier dagegen tragen alle Samthandschuhe, und selbst die dramatischsten Szenen fühlen sich an, als hätte man sie in Watte gepackt.
Am Ende bleibt ein Buch, das vorgibt, Urban Fantasy mit Biss zu sein, aber stattdessen eine zahnlose, wohltemperierte Geschichte erzählt. Die Zutaten sind alle da: bekanntes Setting, vertraute Figuren, ein geheimnisvoller Fall. Doch herausgekommen ist etwas, das an der Oberfläche schimmert, ohne je in die Tiefe zu gehen. Wer auf echte Spannung und Charakterentwicklung hofft, wird hier nicht nur enttäuscht, sondern wünscht sich, er hätte lieber zu einem der früheren Bände der Reihe gegriffen.
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