L. K. Steven: Silvercloak – Unter Feinden [Rezension]

Cover © Penhaligon

Buchinformationen

TitelSilvercloak – Unter Feinden
Band1 von 3
AutorL. K. Steven
VerlagPenhaligon
ÜbersetzungMaike Hallmann
ISBN978-3-7645-3338-0
Seitenzahl624
GenreHigh Fantasy, Romantasy
Bewertung2 von 5 Sterne

Klappentext

Zwölf Jahre Magierschule. Fünf Jahre Straßenpatrouille. Wenige Minuten bis zu ihrer Prüfung. Endlich steht Saffrons Abschluss an der Silvercloak-Akademie bevor. Nur die besten Magier dürfen ihren Mantel silbern färben und fortan die verbrecherischen Bloodmoons zur Strecke bringen. Aber Saffron gehört nicht zu den Besten: Sie bedient sich der gleichen unlauteren Mittel wie die Bloodmoons: List, Betrug, Lüge. Kein Wunder, dass ausgerechnet sie für eine verdeckte Ermittlung unter den Bloodmoons auserkoren wird, in deren Reihen nicht nur Saffs Leben in höchste Gefahr gerät, sondern auch ihr Herz …

Meine Meinung

Nach dem Erfolg von „Our Infinite Fates“ lagen die Erwartungen für L. K. Stevens neuen Roman hoch. Was versprochen wurde, klang nach packender High Fantasy mit originellem Magiesystem, spannenden Machtspielen und einer Hauptfigur, die sich in einer gefährlichen Welt behaupten muss. Was geliefert wurde, ist dagegen ein Buch, das an vielen Stellen so wirkt, als hätte es dringend noch ein paar Runden Feinschliff gebraucht. Die Grundidee trägt, der Schreibstil ist ordentlich – aber alles, was darauf aufgebaut wird, bleibt halbgar.

Das Worldbuilding wirkt unausgereift und bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Anstatt eine dichte, greifbare Welt zu entfalten, werden immer wieder kleine Fragmente hingeworfen – Begriffe, Orte, Gruppierungen – nur um sie gleich wieder fallen zu lassen, ohne sie mit Substanz zu füllen. So entsteht der Eindruck eines groben Bühnenbilds: hübsch bemalt, aber ohne Tiefe, ohne Kulissen, hinter denen sich etwas entdecken ließe. Alles wirkt eher wie eine Kulisse für die Handlung, nicht wie ein lebendiger Organismus, der auch außerhalb der Protagonistin weiter existiert.

Zu diesem flachen Fundament gesellen sich handfeste logische Brüche. Die Protagonistin gilt als vollständig immun gegen jede Form von Magie – ein Alleinstellungsmerkmal, das sogar so weit geht, dass ihre eigenen Zauber auf sie wirkungslos verpuffen. Ein Regelwerk, das stark klingt, aber nur so lange, bis die Handlung es untergräbt: Plötzlich wirkt ein Tarnzauber auf sie, ohne jede Erklärung. Kein Weltmechanismus, keine Sonderregel, nicht einmal eine halbherzige Ausrede. Es entsteht der Eindruck, dass die internen Gesetze der Geschichte nach Belieben verbogen werden, sobald es dramaturgisch bequem ist – und damit bricht nicht nur die Immersion, sondern auch das Vertrauen in die Konsistenz der Erzählung.

Das Magiesystem versucht, sich von gängigen Fantasy-Standards abzuheben, stolpert dabei jedoch über seine eigenen Regeln. Grundsätzlich speisen sich die magischen Kraftreserven aus Schmerz oder Lust – ein Konzept, das auf den ersten Blick provokant wirken könnte, in der Umsetzung jedoch eher befremdlich und inkonsequent erscheint. Die Zaubernden sind in verschiedene Disziplinen eingeteilt, was zunächst wie eine klare Struktur klingt. Doch dann kommt der Haken: Jeder kann theoretisch jede Disziplin erlernen, lediglich das individuelle Talent sorgt dafür, dass bestimmte Arten von Magie schneller oder effizienter gemeistert werden. Wirklich absurd wird es bei der Kategorisierung dieser Disziplinen nach „Seltenheit“. Wenn alle theoretisch alles lernen können, verliert diese Einstufung jede logische Grundlage. „Selten“ wirkt hier nicht wie ein natürlicher Bestandteil der Welt, sondern wie ein willkürliches Etikett, das nur existiert, um künstlich Exotik zu erzeugen. Noch dazu reißt die Logik an anderer Stelle erneut ein: Wenn magische Kraft durch Schmerz generiert wird, müsste Folter als Methode eigentlich erschreckend ineffektiv sein, da das Opfer sich theoretisch nur weiter aufladen und stärker werden würde. In der Praxis ist das hier aber offenbar kein Problem – stattdessen funktioniert Folter einfach so, ganz ohne magische Nebeneffekte. Ein weiteres Puzzlestück, das nicht ins Bild passt. So entsteht statt einer stimmigen, nachvollziehbaren Magielogik ein Flickenteppich, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet – und das leider nicht im positiven, neugierig machenden Sinne.

Die Liebesgeschichte versucht, eine „Enemies to Lovers“-Dynamik zu inszenieren, bleibt dabei jedoch so überzeugend wie eine Zwangsfreundschaft in der Mittelstufe. Zwischen den Figuren fehlt es an glaubwürdiger Spannung, und jede romantische Entwicklung wirkt, als hätte sie ein Post-it mit der Aufschrift „Romance-Subplot hier einfügen“ auf der Manuskriptseite. Der Love Interest ist der Sohn des Anführers der Bloodmoons – einer Art magischer Mafia – und somit eine Schlüsselfigur in einer gefährlichen Organisation. Logischerweise sollte er mit Intrigen, Machtspielen und Loyalitätskonflikten ausgelastet sein. Stattdessen verbringt er gefühlt seine gesamte Zeit damit, die Protagonistin zu überwachen, die gerade erst in diese Welt hineingeraten ist und sich ganz unten in der Hierarchie wiederfindet. Die Beziehung hat keinerlei organischen Aufbau, sondern wirkt wie ein Fremdkörper, der mit Gewalt in die Handlung gedrückt wurde. Weder ihre Interaktionen noch die Umstände um sie herum lassen nachvollziehen, warum zwischen den beiden überhaupt eine Anziehung bestehen sollte. Anstatt eine prickelnde Dynamik zwischen Gegnern zu entwickeln, wird das Ganze in einem seichten Hin und Her aus unausgesprochenem Interesse und beliebigen Konflikten abgespult, ohne dass jemals echter Funke überspringt. Das Ergebnis ist weder romantisch noch spannend – nur überflüssig.

Spannungsaufbau findet so gut wie nicht statt. Die Handlung bewegt sich in einem gleichbleibend gemächlichen Tempo, das jede potenziell packende Szene in lauwarmen Stillstand verwandelt. Anstatt auf Höhepunkte oder unerwartete Wendungen hinzuarbeiten, reiht die Geschichte Ereignisse aneinander, die weder Dringlichkeit noch Konsequenz besitzen. Es gibt keinen Moment, der das Gefühl vermittelt, dass hier wirklich etwas auf dem Spiel steht.

Die Figuren tragen wenig dazu bei, den Lesefluss zu retten. Sie bleiben blass, als hätte man ihre Charakterbögen nur halb ausgefüllt. Persönliche Konflikte, innere Dilemmata oder überraschende Facetten? Fehlanzeige. Besonders die Antagonisten sind Paradebeispiele für eindimensionale Gegenspieler: Sie sind böse, weil das Drehbuch es so will, nicht weil eine nachvollziehbare Motivation dahintersteht. Statt komplexer Gegner mit eigenen Zielen treten hier stereotype Schurken auf, deren Tiefe ungefähr der einer Pfütze entspricht – und die Spannung, die von ihnen ausgehen sollte, versickert genauso schnell.

Verglichen mit „Our Infinite Fates“ bleibt „Silvercloak – Unter Feinden“ deutlich blasser. Während das andere Werk der Autorin mit dichter Atmosphäre, greifbaren Figuren und einer durchgängig konsequenten Logik überzeugte, wirkt dieser Roman wie ein Entwurf, dem entscheidende Bausteine fehlen. Die Grundidee mag solide sein, der Schreibstil angenehm lesbar – doch ohne stabiles Fundament aus sorgfältigem Worldbuilding, stimmigen Regeln und organischer Figurenentwicklung kann sich keine echte Immersion entfalten.

Ein Setting in einer vollständig ausgedachten Welt zu gestalten, ist eine der größten Herausforderungen in der Fantasy – und zwar nicht nur, weil Namen und Orte erdacht werden müssen, sondern weil jede einzelne Regel, jede Kultur, jede gesellschaftliche und magische Struktur logisch ineinandergreifen muss, um glaubwürdig zu wirken. Genau hier zeigt sich, dass die Autorin in diesem Bereich noch ungeübt ist. In „Our Infinite Fates“ spielte ein Großteil der Handlung in einem Setting, das trotz fantastischer Elemente in der Realität verankert war – eine Grundlage, die die Glaubwürdigkeit stützte und der Geschichte Stabilität verlieh. „Silvercloak – Unter Feinden“ hingegen verlangt den Sprung in eine völlig eigenständige Welt, und dieser Sprung misslingt. Das Ergebnis ist eine Erzählung, die zwar sprachlich solide daherkommt, aber inhaltlich zu viele lose Fäden und Logiklücken bietet. Anstatt die Lesenden in eine pulsierende, atmende Welt hineinzuziehen, bleiben sie auf der Zuschauerbank sitzen und beobachten, wie eine gute Idee an der Umsetzung scheitert.

[unbezahlte Werbung | Rezensionsexemplar]

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