Jim Butcher: Die dunklen Fälle des Harry Dresden – Titanenkampf [Rezension]

Cover © Blanvalet

Buchinformationen

TitelDie dunklen Fälle des Harry Dresden – Titanenkampf
Band17 von 17
AutorJim Butcher
VerlagBlanvalet
ÜbersetzungOliver Hoffmann
ISBN978-3-7341-6378-4
Seitenzahl592
GenreUrban Fantasy
Bewertung4,5 von 5 Sterne

Klappentext

Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, und als Magier habe ich bereits gegen die schlimmsten Gegner gekämpft: den Roten Hof der Vampire, die gefallenen Engel des schwarzen Denar, die Außenweltler. Doch diesmal war es anders. Ethniu war so uralt und mächtig, dass selbst die Unsterblichen vor ihr erzitterten. Jetzt hatte sie Chicago den Krieg erklärt. Ihre Armee war bislang unbesiegt, und ihre zerstörerische Macht übertraf die von Göttern. Sie war die letzte der Titanen – und ich sollte sie aufhalten …

Meine Meinung

Nach den diplomatischen Schachzügen in „Friedensgespräche“ liefert Jim Butcher im 17. Band seiner langlebigen Urban-Fantasy-Saga nun genau das, worauf viele Fans sehnsüchtig gewartet haben: eine kompromisslose, bombastische und gnadenlos intensive Konfrontation, die so ziemlich alle Versprechen der Reihe auf einmal einlöst. „Titanenkampf“ macht seinem Namen alle Ehre und bildet den explosiven Gegenpol zum vorherigen Band. Die zahllosen politischen Spannungen, die sich während der „Friedensgespräche“ angestaut hatten, brechen hier mit aller Macht auf – und Harry Dresden findet sich mitten in einem apokalyptischen Krieg, der die übernatürliche Welt und Chicago selbst an den Rand der Zerstörung führt.

Die uralte Titanin Ethniu – Verkörperung von Arroganz, Macht und unsterblichem Groll – ist nicht gekommen, um zu verhandeln. Sie ist gekommen, um zu vernichten. Mit ihrer in Wahnsinn getränkten Überzeugung, dass die Menschheit vergessen hat, was es heißt, klein und sterblich zu sein, entfesselt sie einen beispiellosen Vernichtungsfeldzug. An ihrer Seite marschiert ein Albtraum aus der Tiefe: die Fomori – monströse, albtraumhafte Kreaturen aus alten Mythen, die im Dunkel der Meere geschlummert haben und nun in Legionen aufsteigen. Ihr Ziel: nichts Geringeres als die vollständige Auslöschung Chicagos, als erste Warnung an die gesamte Welt. Inmitten dieses apokalyptischen Angriffs steht Harry Dresden, gebunden an seine Rolle als Winterritter – Champion der kalten Feenkönigin Mab. Doch trotz seiner Macht, trotz seiner Erfahrung, ist er mehr denn je gezwungen, über sich hinauszuwachsen. Denn dies ist kein gewöhnlicher Kampf, kein urbanes Scharmützel. Es ist Krieg.

Gemeinsam mit einer verzweifelten Koalition aus Magiern, Rittern, Werwölfen, Vampiren und alten Freunden muss Harry das Unmögliche wagen: sich einer Göttin entgegenzustellen – mit kaum mehr als Mut, Verzweiflung und einem bröckelnden Rest an Hoffnung. Jeder Fehler, jede verpasste Gelegenheit könnte Millionen das Leben kosten. Und Harry weiß: Nicht jeder wird diesen Tag überleben. Auch er selbst nicht unbedingt.

Wer „Friedensgespräche“ als gemächlich, politisch und dialoglastig empfand, wird hier einen radikalen Stimmungswechsel erleben. „Titanenkampf“ wirft die Leser von der ersten bis zur letzten Seite mitten in einen Dauer-Alarmzustand. Es gibt kaum Verschnaufpausen, weil sich die Action in einem irrwitzigen Takt steigert und beinahe jede denkbare Figur aus Harrys Welt in diesen Showdown involviert ist. Butcher gelingt es meisterhaft, dieses Chaos lesbar zu halten und dabei sogar noch emotionale Tiefe zu vermitteln. Die persönlichen Opfer, die Harry und seine Freunde bringen müssen, werden greifbar und gehen unter die Haut. Die Kämpfe sind keine bloßen Effekthaschereien, sondern existenziell, mit echter Tragweite. Zugleich zeigt Butcher, wie weit Harry gekommen ist — von einem Einzelkämpfer mit lädiertem Privatdetektivbüro hin zu einem zentralen Akteur im Ringen um das Schicksal ganzer Welten.

Die Schlacht ist nichts Geringeres als ein literarisches Inferno. Sie ist monumental in ihrem Ausmaß, erschütternd in ihrer Brutalität und von einer Intensität, die dem Leser kaum Raum zum Durchatmen lässt. Dies ist kein gefälliger Showdown am Ende eines Romans – es ist ein durchkomponierter, seitenlanger Krieg, der alles in den Schatten stellt, was die Reihe bislang an Gewalt und Chaos zu bieten hatte. Butcher zieht alle erzählerischen Register, um die Apokalypse in Chicago spürbar zu machen: Magische Detonationen zerreißen den Himmel, uralte Kräfte reißen Straßen auf, legendäre Kämpfer stehen einander in gnadenlosen Duellen gegenüber. Die Gewalt ist nicht stilisiert oder heldenhaft verklärt – sie ist schmerzhaft konkret. Körper zerbrechen, Leben enden, Überzeugungen stürzen. Und mittendrin: Figuren, die wir über viele Bände hinweg begleitet haben, die hier an ihre Grenzen – und darüber hinaus – gebracht werden. Kaum jemand kommt unversehrt davon. Die Wunden sind nicht nur physisch, sondern tief emotional: Loyalitäten werden auf die Probe gestellt, Freundschaften bröckeln, Opfer werden gebracht, die nie wieder rückgängig zu machen sind. Butcher macht unmissverständlich klar, dass kein Charakter unantastbar ist – nicht für den Feind, nicht für das Schicksal, nicht einmal für die eigenen Entscheidungen. In dieser Schlacht werden nicht nur Gebäude dem Erdboden gleichgemacht – hier gehen Ideale, Selbstbilder und ganze Lebenskonzepte in Flammen auf. Und was danach übrig bleibt, ist nicht nur eine verwüstete Stadt, sondern eine Welt, die nie wieder dieselbe sein wird.

Besonders eindrucksvoll ist, wie es Butcher schafft, den kolossalen Maßstab dieser Schlacht spürbar zu machen, ohne dass die Figuren darin verloren gehen. Selbst inmitten titanischer Verwüstungen finden sich intime, leise Momente, in denen Harry mit seiner Verantwortung, seinem Schmerz und seinen Ängsten ringt. Diese Balance zwischen epischem Spektakel und charaktergetriebenem Drama macht „Titanenkampf“ zu einem Höhepunkt der Buchreihe.

So beeindruckend das alles ist, kommt „Titanenkampf“ nicht ganz ohne Abzüge davon. Der Roman wirkt an manchen Stellen schlicht überwältigend — so viele Figuren, so viele Schauplätze, so viele Konflikte prasseln gleichzeitig auf den Leser ein, dass es fast unmöglich wird, alles vollständig aufzunehmen. Besonders wer die Vorgängerbände nicht mehr präsent hat, könnte sich zwischen den vielen Fronten etwas orientierungslos fühlen. Zudem bezahlt Butcher den Preis für seinen kompromisslosen Ansatz: Einige emotionale Verluste oder finale Konfrontationen hätten mehr Raum verdient, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Hier merkt man, dass dieser Band fast ausschließlich auf Höhepunkt getrimmt ist, ohne die Entfaltungspausen, die den Vorgänger so geprägt hatten. Das bedeutet für manche Leser: wenig Zeit zum Atemholen, aber auch wenig Gelegenheit, manche Szenen sacken zu lassen.

„Titanenkampf“ ist die alles verschlingende Sturmflut nach dem langen politischen Gewitter von „Friedensgespräche“. Jim Butcher liefert hier eines der kompromisslosesten Urban-Fantasy-Schlachtenepos der letzten Jahre, das kaum Wünsche offen lässt. Die Story ist packend, die Action überwältigend, die Verluste schmerzhaft — und Harry Dresden beweist endgültig, dass er nicht nur ein sarkastischer Privatdetektiv ist, sondern ein echter Krieger mit Herz und Verstand.

Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑