Sara Wolf: Heavenbreaker [Rezension]

Cover © Heyne

Buchinformationen

TitelHeavenbreaker
Band1 von 2
AutorSara Wolf
VerlagHeyne
ÜbersetzungMaike Hallmann
ISBN978-3-453-32372-8
Seitenzahl608
GenreScience-Fantasy, Dystopie
Bewertung4,5 von 5 Sterne

Klappentext

Die junge Synali ist die uneheliche Tochter von Baron Hauteclare, einem der mächtigsten Fürsten ihrer Raumstation. Um seinen Fehltritt geheim zu halten, setzt der Baron Auftragskiller auf sie und ihre Mutter an. Doch Synali kann entkommen – und hat fortan nur noch ein Ziel: Rache um jeden Preis. Der geheimnisvolle Adelige Darvik bietet ihr einen Deal an, den sie nicht ablehnen kann: Wenn Synali am tödlichsten Wettkampf der Station teilnimmt und gewinnt, wird Darvik ihr helfen, die Mörder ihrer Mutter zu töten. Synali ist fest entschlossen, nichts zwischen sich und ihre Rache kommen zu lassen – nicht einmal den gut aussehenden Rax, ihren gefährlichsten Gegner …

Meine Meinung

Was passiert, wenn die Menschheit nach einem verheerenden Krieg ins All flieht – nur um dort ein neues, noch brutaleres System zu errichten? Mit „Heavenbreaker“ präsentiert Sara Wolf nicht nur eine fesselnde Antwort auf diese düstere Vision, sondern entfesselt ein erzählerisches Kraftwerk, das Science-Fiction, Fantasy und Dystopie mit bemerkenswerter Leichtigkeit vereint. Wer glaubt, es sei alles längst auserzählt, wird hier mit Wucht eines Besseren belehrt.

„Heavenbreaker“ entführt uns in eine ferne, düstere Zukunft – eine Zeit, in der die Erde längst ihrer Lebbarkeit beraubt wurde. Nach einem erbarmungslosen, kaum greifbaren Krieg gegen den nur als „der Feind“ bekannten Gegner blieb der Menschheit keine andere Wahl, als ins All zu fliehen. Heute leben die Menschen verstreut auf gewaltigen Raumstationen und monumentalen Raumschiffen, die wie schwebende Städte durch die endlose Schwärze des Universums treiben. Was zunächst wie klassische Science-Fiction klingt, entpuppt sich schnell als etwas weitaus Komplexeres: Sara Wolf verwebt hochentwickelte Technologie mit archaisch anmutenden Strukturen – eine Zukunft, in der ritterliche Tugenden und Schlachtmaschinen Seite an Seite existieren, und alte Machtgefüge im neuen Glanz auferstehen. Das Ergebnis ist eine Welt, die zugleich fremdartig und seltsam vertraut wirkt – futuristisch in ihrer Oberfläche, aber tief durchdrungen von der Atmosphäre vergangener Zeitalter.

Die Gesellschaft in „Heavenbreaker“ ist streng hierarchisch aufgebaut – doch von Gerechtigkeit fehlt jede Spur. An der Spitze thronen die Adligen in schimmernden Kuppeln aus Luxus und Überfluss, abgeschottet von den harten Realitäten des einfachen Lebens. Sie genießen ein Dasein in Dekadenz und Macht, während die unteren Schichten in den Schatten der Raumstationen ums nackte Überleben kämpfen. Dort, wo Licht und Sauerstoff zur Ware werden und jeder Tag ein Kampf gegen Hunger, Krankheit und systematische Unterdrückung ist, beginnt die Geschichte von Synali.

Sara Wolf zeichnet dieses Klassensystem mit beeindruckender Schärfe – die soziale Kluft zwischen oben und unten ist nicht nur sichtbar, sondern fühlbar. In jeder Szene spürt man die Kälte eines Systems, das auf Ungleichheit gebaut ist, als wäre es ein Naturgesetz. Dabei erinnert die Struktur der Welt nicht zufällig an die brutale Kontrolle in „Die Tribute von Panem“, die rebellische Wut von „Red Rising“ oder die zersplitterten Gesellschaftsmodelle aus „Divergent“. Doch „Heavenbreaker“ bringt frischen Wind ins Genre – mit einem kosmischen Setting, das die bekannten Dystopie-Motive auf eine neue, faszinierend fremde Ebene hebt.

Eines der spektakulärsten und zugleich verstörendsten Elemente in „Heavenbreaker“ sind die sogenannten Schlachtross-Kämpfe – blutige Turniere, die der Adel zur eigenen Unterhaltung veranstaltet. Doch wer hier an edle Lanzen und Pferde denkt, liegt falsch: Die Ritter dieser neuen Ära steigen in gigantische, kampferprobte Mechas – technologische Kolosse aus Stahl, Energie und Zerstörungskraft. Jeder dieser Schlachtrosse ist ein Ungetüm, gebaut für den Krieg, nicht für Ehre. Gekämpft wird in speziell konstruierten Arenen, die sich im Weltall befinden. Es sind Duelle der Superlative – choreografiert wie ein Tanz, brutal wie ein Massaker. Jeder Schritt donnert, jede Waffe schneidet durch die Luft mit tödlicher Präzision. Und über allem liegt der voyeuristische Blick des Adels, der sich an der Gewalt berauscht wie an einem gut gealterten Wein.

Synali ist keine Heldin im klassischen Sinn – sie ist keine Auserwählte, keine Prophetin, keine geborene Rebellin. Und gerade das macht sie so fesselnd. Geboren in den dunklen, rostigen Tiefen der unteren Gesellschaftsschichten, trägt sie das Blut eines Adligen in sich: Baron von Hauteclaire, ihr Vater, hat sie einst gezeugt – und dann ihre Mutter umbringen ließ wie eine unliebsame Erinnerung. Was sie antreibt, ist nicht Ruhm, sondern Rache. Was sie stark macht, ist nicht Macht, sondern Widerstandskraft. In ihrer Wut liegt Klarheit, in ihrer Stille eine messerscharfe Intelligenz. Sie ist klug, verletzlich, kompromisslos – und dabei zutiefst menschlich. Sara Wolf schreibt sie nicht als makellose Heldin, sondern als widersprüchliche Figur, zerrissen zwischen Rache, Hoffnung und Hass. Und genau das macht Synali zu einer der stärksten Protagonistinnen der jüngeren Science-Fantasy-Literatur.

In einem Genre, in dem romantische Verstrickungen oft als Hauptmotor dienen, geht „Heavenbreaker“ einen erfrischend anderen Weg. Ja, es gibt eine Liebesgeschichte. Aber sie flüstert, wo andere schreien. Die Beziehung – oder das, was sich daraus entwickelt – bleibt wage, beinahe schüchtern im Hintergrund. Kein Liebesdreieck, kein dramatisches Herzschmerzdrama, sondern eine leise Verbindung, geboren aus gegenseitigem Respekt, getränkt in Misstrauen, und gewachsen im Schatten des Krieges. Gerade diese subtile Umsetzung verleiht der Geschichte Tiefe. Denn Liebe ist hier kein Fluchtpunkt, keine Rettung – sondern ein Risiko. Etwas, das genauso zerstörerisch sein kann wie ein Schlachtross. Und genau deshalb funktioniert sie so gut.

„Heavenbreaker“ ist vieles: ein wuchtiger Sci-Fi-Actionroman, eine düstere Gesellschaftskritik, ein stiller Schrei nach Gerechtigkeit – und vor allem ein mutiges Spiel mit Genregrenzen. Sara Wolf erschafft eine Zukunft, die sich gleichzeitig uralt und brandneu anfühlt. Zwischen metallischen Kolossen, sterbenden Sternen und flüsternden Revolutionen schlägt ein Herz aus Menschlichkeit – roh, verletzlich, entschlossen.

Wer „Die Tribute von Panem“, „Red Rising“ oder „Divergent“ liebt, findet hier vertraute Elemente – doch „Heavenbreaker“ geht seinen ganz eigenen Weg. Es ist ein Buch, das nicht um Aufmerksamkeit buhlt, sondern sie verdient. Und am Ende bleibt vor allem eines: das leise, atemlose Gefühl, gerade etwas wirklich Besonderes gelesen zu haben.

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