Hugh Howey: Silo [Rezension]

Cover © Piper

Buchinformationen

TitelSilo
Band1 von 3
AutorHugh Howey
VerlagPiper
ÜbersetzungGaby Wurster, Johanna Nickel
ISBN978-3-4923-0503-7
Seitenzahl560
GenreDystopie
Bewertung4 von 5 Sterne

Klappentext

Drei Jahre nach dem mysteriösen Tod seiner Frau Allison setzt Sheriff Holston seiner Aufgabe ein Ende und entschließt sich, die strengste Regel zu brechen: Er will das Silo verlassen. Doch die Erdoberfläche ist hoch toxisch, ihr Betreten bedeutet den sicheren Tod. Holston nimmt das in Kauf, um endlich mit eigenen Augen zu sehen, was sich hinter der großen Luke befindet, die sie alle gefangen hält. Seine Entdeckung ist ebenso ungeheuerlich wie die Folgen, die sein Handeln nicht zuletzt für seine Nachfolgerin Juliette hat …

Meine Meinung

Hugh Howeys „Silo“ ist ein dystopischer Roman, der eine düstere, postapokalyptische Zukunft zeichnet, in der die Menschheit in einem unterirdischen Bauwerk, dem titelgebenden Silo, lebt – abgeschottet von der tödlichen Außenwelt. Das Buch wurde vielfach gelobt, unter anderem von Ridley Scott für eine Serienadaption aufgegriffen, und ist der erste Teil einer Trilogie. Nach dem Lesen bleibt jedoch ein durchwachsen positives Bild zurück.

Zugegeben, „Silo“ braucht Zeit. Viel Zeit. Etwa 250 Seiten lang plätschert die Handlung vor sich hin, bevor sie richtig an Fahrt aufnimmt. Die ersten Kapitel widmen sich der Einführung in die abgeschlossene Gesellschaft des Silos, die streng hierarchisch organisiert ist. Man lernt mehrere Charaktere kennen, darunter den Sheriff Holston und später die Mechanikerin Juliette, die zum neuen Sheriff berufen wird. Es wird viel erklärt, angedeutet, verschwiegen. Für manche Leser mag das ein gekonntes Worldbuilding sein – für andere ein zäher Einstieg, der Geduld verlangt. Erst mit Juliettes Perspektive in fortschreitender Handlung bekommt das Buch spürbaren Drive, Spannung und emotionale Tiefe.

Einer der erstaunlichsten Aspekte an „Silo“ ist der technologische Rückschritt, den diese Zukunftsgesellschaft gemacht hat. Man könnte erwarten, dass ein Silo, das in einer weit entfernten Zukunft erbaut wurde und die letzten Überreste der Menschheit beherbergt, hochmodern und effizient ausgestattet ist. Doch das Gegenteil ist der Fall: vieles wirkt analog, improvisiert und beinahe archaisch. Die Mechanik, die Art und Weise, wie Daten gespeichert werden, und sogar die Kommunikation wirken erstaunlich altmodisch. Nicht einmal ein Aufzug verbindet die vielen Stockwerke des Silos. Das wirkt besonders im Vergleich zum real existierenden „Survival Condo“ – einem Luxus-Atomschutzbunker in Kansas, der mit modernster Technologie ausgerüstet ist – seltsam. Wenn heutige Prepper es schaffen, ein mehrstöckiges Luxusrefugium mit Solarenergie, Waffenkammern, Hydrokulturen und Satelliteninternet auszustatten, warum lebt dann die Zukunftsgesellschaft in „Silo“ in einem technisch eher rückständigen Bauwerk? Diese Diskrepanz hinterlässt Fragen – und sie schwächt ein Stück weit die Glaubwürdigkeit der Welt.

Trotz der Anlaufschwierigkeiten und der technischen Unstimmigkeiten überzeugt „Silo“ auf der Charakterebene. Die Figuren wirken glaubwürdig, menschlich, mit Ecken und Kanten. Juliette als weibliche Protagonistin ist stark, klug und unabhängig, ohne dabei in stereotype Muster zu verfallen. Auch Nebenfiguren wie der IT-Chef Bernard oder der Bürgermeisterin Jahns sind vielschichtig gezeichnet. Man versteht ihre Motive, auch wenn man nicht immer mit ihnen einverstanden ist. Besonders positiv: Es gibt keine künstlich aufgeblähte Romanze, keine plumpen Heldenerzählungen – stattdessen echte Menschen in Extremsituationen.

Ein dystopischer Roman, der so stark auf sein Setting setzt, muss sich natürlich auch an seiner inneren Logik messen lassen. Und hier stolpert „Silo“ gelegentlich. Ein oft diskutierter Punkt: Warum werden verurteilte Personen dazu gezwungen – oder besser gesagt: manipuliert – vor ihrem sicheren Tod die Außenkameras des Silos zu reinigen?
Die Handlung bietet zwar eine Erklärung – durch psychologische Manipulation sollen die Verbannten ein letztes Mal etwas Gutes für die Gemeinschaft tun. Aber wirklich plausibel wirkt das nicht. Wenn die Außenwelt wirklich so giftig ist, warum funktioniert dann die Reinigung mit einem simplen Tuch? Und warum verlassen sich die Bewohner auf eine Methode, die technisch unzuverlässig und moralisch fragwürdig ist? Diese Fragen schmälern nicht das Gesamterlebnis, aber sie nagen an der Konsistenz der Welt, die Howey so sorgfältig entwirft.

„Silo“ ist ein ambivalenter Roman mit großem Konzept, glaubwürdigen Figuren und einer faszinierenden Prämisse – aber auch mit Schwächen im Tempo und in der Ausarbeitung der Welt. Leser, die Geduld mitbringen und sich auf die klaustrophobische Atmosphäre einlassen können, werden mit einer intensiven, beklemmenden Lektüre belohnt. Für alle anderen könnte der zähe Einstieg ein Stolperstein sein. Mit mehr technischem Feingefühl und einem besseren Erzähltempo hätte Silo das Potenzial für einen modernen Klassiker gehabt. So bleibt es ein gutes, aber nicht perfektes Buch – ein lesenswerter Auftakt zu einer dystopischen Trilogie.

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