Nina Scheweling: Academy of Lies – Anatomie einer Verschwörung [Rezension]

Cover © Loewe

Buchinformationen

TitelAcademy of Lies – Anatomie einer Verschwörung
Band1 von 2
AutorNina Scheweling
VerlagLoewe
Übersetzung
ISBN978-3-743-21841-3
Seitenzahl400
GenreMedizin-Thriller
Bewertung5 von 5 Sterne

Klappentext

Quinn wird sterben. Denn ihr Spenderherz hält nicht mehr lange durch. Um den Tod besser zu verstehen, studiert sie Medizin an einer Eliteuniversität. Doch da wird der Rektor getötet, kurz darauf stirbt eine Studentin – und niemand anderes als ihr Bruder gerät unter Verdacht. Quinn muss herausfinden, was wirklich passiert ist. Und dabei kommt sie einem Geheimnis auf die Spur, das nicht nur ihre eigene Welt auf den Kopf stellen könnte …

Meine Meinung

Es gibt Bücher, die mit der Tür ins Haus fallen – und dann gibt es solche, die sich still anschleichen, dich um den Finger wickeln und dich dann mit voller Wucht in den Abgrund reißen. „Academy of Lies – Anatomie einer Verschwörung“ von Nina Scheweling gehört zweifellos zur zweiten Kategorie. Was sich zunächst wie ein ruhiger akademischer Thriller liest, entfaltet sich zu einem hochspannenden, medizinisch fundierten Pageturner, der bis zur letzten Seite nicht loslässt.

Im Zentrum der Geschichte steht Quinn Schreiber – eine Protagonistin, die in ihrer Tiefe und Widersprüchlichkeit lange nachhallt. Was ihre Figur so eindringlich macht, ist nicht nur ihre Entwicklung, sondern der Punkt, von dem aus sie startet: Quinn lebt, als wäre sie längst tot. Mit einem medizinischen Schicksal konfrontiert, das sie scheinbar still akzeptiert hat, bewegt sie sich durch ihren Alltag mit einer fast gespenstischen Gleichgültigkeit. Ihre Gedanken sind klar, fast analytisch – doch in ihnen liegt eine bleierne Resignation. Der Tod ist für sie kein Schock, sondern ein leiser Begleiter, dessen Schatten sich längst in ihr Denken und Fühlen eingenistet hat. Entsprechend lebt sie nicht – sie funktioniert. Ohne Hoffnung, ohne Ziel. Als hätte sie sich selbst aus der Gleichung ihres Lebens gestrichen.

Und gerade deshalb ist ihre Entwicklung so kraftvoll. Denn „Academy of Lies“ ist nicht nur ein Spiel gegen eine übermächtige Verschwörung – es ist vor allem die Geschichte einer inneren Rückkehr. Die Rückkehr zu einem Selbst, das noch kämpfen will. Zu einem Funken Leben, der sich durch den dichtesten Nebel von Zynismus und Schmerz hindurch seinen Weg bahnt. Quinn wird gezwungen, Fragen zu stellen – nicht nur an das System, das sie umgibt, sondern an sich selbst. Wo endet Verantwortung? Was ist Wahrheit wert, wenn sie gefährlich wird? Und wie weit darf man gehen, um sich selbst zu retten? Nina Scheweling zeichnet diese Transformation mit bemerkenswerter psychologischer Feinfühligkeit. Sie nähert sich Quinn nicht als Heldin, sondern als Mensch – fehlerhaft, müde, zerrissen. Doch gerade diese Empathie macht sie so greifbar. Ihre Angst, ihr zögerliches Aufbegehren, ihre leise wachsende Entschlossenheit – all das lässt uns mit ihr hoffen, zweifeln, atmen.

Was Scheweling in diesem Roman meisterhaft gelingt, ist der dynamische Spannungsaufbau. Die Geschichte beginnt mit einer unterschwelligen Unruhe, die sich durch scheinbar harmlose Details und zwischenmenschliche Spannungen langsam in unser Bewusstsein schleicht. Kleine Hinweise, versteckte Blicke, unklare Aussagen – man spürt: Hier stimmt etwas nicht. Doch sobald sich die Verschwörung entfaltet, nimmt der Roman rasant an Tempo auf. Actionreiche Szenen, lebensbedrohliche Situationen und Enthüllungen, die alles bisher Dagewesene infrage stellen, lassen das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Die Autorin schafft es, diesen Wechsel zwischen subtiler Bedrohung und explosiver Handlung so elegant zu gestalten, dass man als Leser regelrecht mitgerissen wird.

Besonders hervorzuheben ist, mit welcher Souveränität Nina Scheweling medizinisches Fachwissen in ihre Handlung einbettet. Die Präzision ihrer Schilderungen zeugt von akribischer Recherche, doch niemals verliert sich der Text in bloßer Fachsimpelei. Statt belehrend oder überladen zu wirken, fügt sich das medizinische Know-how nahtlos in die Erzählung ein – wie ein feines Gewebe, das die Handlung trägt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Was viele Thriller versäumen, gelingt Scheweling mit bemerkenswerter Leichtigkeit: Sie erschafft Atmosphäre durch Wissenschaft. Klinische Details werden nicht steril, sondern eindringlich inszeniert. So wird das Fachliche nicht zur Hürde, sondern zum atmosphärischen Verstärker, der die Dichte und Glaubwürdigkeit der Geschichte auf ein neues Niveau hebt.

Einzigartig ist auch die subtile, aber wirkungsvolle Verbindung zweier scheinbar gegensätzlicher Welten: der hochmodernen Medizin und dem ästhetisch-düsteren Flair von Dark Academia. Normalerweise denkt man bei Dark Academia an antike Bibliotheken, flüsternde Gänge in ehrwürdigen Universitäten, Philosophie bei Kerzenlicht – nicht an Labore, DNA-Analysen und Pharmakologie. Und doch gelingt es Nina Scheweling, diese beiden Sphären auf eine fast hypnotische Weise zu vereinen. Im Zentrum steht eine akademische Institution, die auf den ersten Blick elitär und traditionsbewusst wirkt – stilecht mit geheimnisvoller Architektur, altem Wissen und einem Hauch Arroganz. Der romantisierte Wissenshunger der Dark-Academia-Welt trifft auf die gnadenlose Realität medizinischer Forschung. Scheweling nutzt diesen Kontrast, um eine Atmosphäre zu schaffen, die gleichzeitig vertraut und beunruhigend ist. Die moralische Frage „Wie weit darf Wissenschaft gehen?“ bekommt in dieser Umgebung eine noch tiefere Bedeutung – weil sie nicht im futuristischen Setting, sondern im Gewand von Elitenbildung und intellektuellem Erbe gestellt wird. Diese Kombination verleiht dem Roman nicht nur stilistisch einen ganz eigenen Ton, sondern erweitert auch das Genre des medizinischen Thrillers um eine faszinierende, fast poetische Ebene. Es ist keine „Science-Fiction“, sondern eher „Science-Gothic“ – klug, düster und tiefgründig.

„Academy of Lies – Anatomie einer Verschwörung“ ist weit mehr als ein medizinischer Thriller. Es ist ein Roman über Wahrheit und Lüge, über Loyalität und Verrat, über Wissenschaft und Ethik. Nina Scheweling liefert mit diesem Buch einen spannenden, klug konzipierten und emotional dichten Pageturner ab, der sich von der Masse abhebt. Wer intelligente Spannung mit gut recherchiertem Hintergrund, psychologisch überzeugenden Figuren und einem Hauch dystopischer Realität sucht, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen.

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