
Buchinformationen
| Titel | Im Schatten des Fuchses |
| Band | 1 von 3 |
| Autor | Julie Kagawa |
| Verlag | Heyne |
| Übersetzung | Beate & Ute Brammertz |
| ISBN | 978-3-4532-7205-7 |
| Seitenzahl | 480 |
| Genre | Historische Fantasy, Romantasy |
| Bewertung | 4 von 5 Sterne |
Klappentext
Die junge Yumeko ist eine Gestaltwandlerin – halb Mensch, halb Füchsin. Im Kloster der Stillen Winde lernt sie unter der liebevollen Anleitung von Mönchen, ihre Gabe zu kontrollieren. Doch eines Nachts greifen mörderische Dämonen die Tempelanlage an und setzen sie in Brand. Yumeko gelingt es als Einziger zu fliehen, mit einem letzten Vermächtnis der Mönche in der Tasche: einer geheimnisvollen Pergamentrolle, die sie in einem Tempel in Sicherheit bringen soll. Darauf befindet sich der Teil einer uralten Beschwörung, die so gefährlich ist, dass sie einst in drei Teile zerrissen und an verschiedenen Orten aufbewahrt wurde. Unterwegs trifft Yumeko den Samurai Tatsumi, der auf der Suche nach eben jener Pergamentrolle ist. Gemeinsam setzen sie ihren Weg fort. Tatsumi weiß nicht, dass Yumeko hat, wonach er sucht. Yumeko weiß nicht, dass Tatsumi ein Geheimnis hütet, das sie beide umbringen könnte. Und beide ahnen nicht, dass sie sich niemals ineinander verlieben dürfen.
Meine Meinung
Julie Kagawa ist bekannt für ihre fesselnden Fantasy-Romane, und mit „Im Schatten des Fuchses“ bringt sie uns in eine Welt voller Magie, Mythen und Samurai. Inspiriert von der japanischen Folklore, erschafft sie eine fesselnde Geschichte über Schicksal, Loyalität und die Grenzen zwischen Gut und Böse.
Die Geschichte spielt in einem von japanischer Mythologie geprägten Fantasy-Reich. Im Mittelpunkt steht Yumeko, ein Mädchen mit einer besonderen Gabe: Sie ist zur Hälfte ein Kitsune – ein magischer Fuchsgeist mit der Fähigkeit, Illusionen zu erschaffen. Ihre Heimat, der Tempel der Stillen Winde, hütet ein uraltes Geheimnis: eine Schriftrolle, die, wenn sie vollständig ist, den Drachen der Wünsche beschwören kann. Doch eines Tages wird der Tempel von Dämonen zerstört, und Yumeko erhält den Auftrag, ein wichtiges Fragment dieser Schriftrolle in Sicherheit zu bringen.
Yumeko ist eine faszinierende Hauptfigur, die mit ihrer Vielschichtigkeit und ihrem Charme schnell das Herz der Leser erobert. Zu Beginn wirkt sie fast kindlich naiv, unbedarft und staunend gegenüber der Welt, die sie bisher nur aus den Erzählungen der Mönche kennt. Aufgewachsen in der abgeschiedenen Sicherheit des Tempels der Stillen Winde, ist sie behütet, aber auch unerfahren, wenn es um die Gefahren der Außenwelt geht. Doch hinter dieser scheinbaren Unschuld verbirgt sich ein kluger Kopf, ein wacher Geist und eine unerschütterliche Entschlossenheit, ihren Weg zu gehen. Was Yumeko besonders macht, ist vor allem ihre natürliche Neugier, die sie trotz aller Widrigkeiten antreibt. Sie begegnet neuen Erfahrungen mit Offenheit, einem Hauch von Verspieltheit und einem trockenen Humor, der in den oft düsteren Momenten der Geschichte für Leichtigkeit sorgt. Gleichzeitig entwickelt sie im Laufe ihrer Reise eine innere Stärke, die sie nach und nach über sich hinauswachsen lässt. Doch was Yumeko wirklich einzigartig macht, ist der innere Konflikt, der in ihr brodelt: Als Kitsune liegt es eigentlich in ihrer Natur, mit Illusionen zu spielen, ihre Umgebung zu täuschen und Menschen an der Nase herumzuführen. Täuschung und Trickserei sind ihre angeborenen Fähigkeiten – doch anstatt sich diesem Schicksal zu fügen, wählt sie einen anderen Pfad. Sie kämpft für das Gute, für Wahrheit und für das Leben derjenigen, die ihr am Herzen liegen. Diese ständige Gratwanderung zwischen ihrer Fuchsnatur und ihrer Menschlichkeit macht sie zu einer fesselnden, tiefgründigen Protagonistin, die weit mehr ist als ein unschuldiges Tempelmädchen oder ein listiger Geist.
Tatsumi ist in jeder Hinsicht das komplette Gegenteil von Yumeko – ein Krieger, geformt aus Disziplin, Härte und tödlicher Präzision. Während Yumeko mit Neugier und Leichtigkeit durchs Leben geht, wurde Tatsumi dazu erzogen, Emotionen als Schwäche zu betrachten. Seit seiner Kindheit hat er gelernt, Schmerz, Furcht und sogar Freude zu unterdrücken, denn als gefürchteter Dämonenjäger des Kage-Clans darf er sich keine Ablenkung leisten. Sein ganzes Dasein ist auf Gehorsam ausgerichtet, sein Schwert ist seine einzige Konstante – ein verfluchtes Katana, das eine dunkle, blutrünstige Kreatur in sich birgt. Jeder Moment der Unachtsamkeit könnte ihn seine Seele kosten. Mit einer beinahe unmenschlichen Kälte geht er seinem Auftrag nach: die Schriftrolle zu finden und jeden zu eliminieren, der sich ihm in den Weg stellt. Doch als er Yumeko begegnet, gerät sein durchstrukturiertes Weltbild ins Wanken. Sie ist so anders als alles, was er kennt – unberechenbar, voller Leben und zugleich verwirrend faszinierend. Während ihre gemeinsame Reise voranschreitet, beginnt er, seine einstudierte Gleichgültigkeit zu hinterfragen. Zum ersten Mal stellt sich ihm die Frage: Gibt es für ihn überhaupt eine Existenz jenseits des Schwertes? Diese innere Zerrissenheit macht Tatsumis Charakterentwicklung besonders spannend. Mit jedem Schritt an Yumekos Seite gerät er tiefer in einen Konflikt zwischen Pflicht und persönlichem Verlangen. Doch je näher er ihr kommt, desto größer wird auch die Gefahr – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für sie. Denn der Dämon in seinem Schwert wartet nur auf eine Schwäche, um sich endgültig von seinen Ketten zu befreien.
Auch die Nebencharaktere sind mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und verleihen der Geschichte zusätzliche Tiefe und Farbe. Jeder von ihnen trägt seine eigene Geschichte, seine eigenen Geheimnisse und Motive mit sich, was sie lebendig und greifbar macht. Sie sind mehr als nur Begleiter – sie sind Persönlichkeiten, die Yumekos und Tatsumis Reise auf unerwartete Weise bereichern. Da wäre zum Beispiel Okame, ein Ronin, der mit seiner schroffen Art und seinem trockenen Humor einen wunderbaren Kontrast zur oft ernsten Atmosphäre der Geschichte bietet. Sarkastisch, unerschütterlich und oft mit einer spöttischen Bemerkung auf den Lippen, scheint er auf den ersten Blick ein wenig desillusioniert zu sein. Doch hinter seiner spöttischen Fassade verbirgt sich ein Mann mit einem guten Herzen, dessen Loyalität weit mehr wiegt, als er selbst zugeben möchte. Er ist jemand, der schon viel erlebt hat und sich selbst nicht mehr allzu ernst nimmt – doch wenn es darauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen.
Dann gibt es Daisuke, einen Samurai, der wie direkt aus einer alten Legende entsprungen scheint. Er verkörpert alles, wofür ein ehrenhafter Krieger stehen sollte: Disziplin, Mut und einen unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit. Mit seiner edlen, fast aristokratischen Art bringt er eine ganz eigene Dynamik in die Gruppe – stets respektvoll, doch mit einer unbeirrbaren Entschlossenheit. Seine ruhige, kontrollierte Präsenz bildet einen spannenden Kontrast zu Okames Zynismus und Yumekos spielerischer Natur.
Diese beiden sind jedoch nur ein Bruchteil der faszinierenden Nebencharaktere, die Julie Kagawa so meisterhaft in ihre Geschichte einwebt. Sie alle bringen nicht nur unterschiedliche Persönlichkeiten, sondern auch eigene Perspektiven und Konflikte mit. Ihr Zusammenspiel sorgt für mitreißende Dialoge, humorvolle Schlagabtausche und tiefgründige Momente, die das Abenteuer umso lebendiger wirken lassen. Trotz der düsteren Gefahren, die Yumeko und Tatsumi umgeben, sind es oft gerade diese Figuren, die für Lichtblicke sorgen – sei es durch einen unerwarteten Lacher oder eine berührende Szene, die zeigt, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Freundschaft und Ehre Bestand haben können.
Eines der größten Highlights des Buches ist ohne Zweifel Julie Kagawas meisterhafte Weltgestaltung. Die Geschichte spielt in einem fiktiven Reich, das an Japan angelehnt ist und so lebendig und atmosphärisch beschrieben wird, dass man sich förmlich in den verwunschenen Wäldern, alten Tempeln und nebelverhangenen Bergen verlieren kann. Hier existieren Samurai und mythische Kreaturen Seite an Seite – eine Welt, in der sich uralte Magie mit der Härte der Krieger vermischt und in der der Glaube an Geister und Dämonen nicht nur Aberglaube, sondern Realität ist. Kagawa schöpft tief aus der reichen Kultur und Folklore Japans und lässt Wesen wie Oni, Yokai und natürlich die listigen Kitsune auf beeindruckend authentische Weise lebendig werden. Besonders spannend ist, wie detailreich sie diese magische Welt zum Leben erweckt – von den Bräuchen und Ehrenkodizes der Samurai bis hin zu den düsteren Legenden, die hinter den einzelnen Kreaturen stehen. Ihre Beschreibungen sind so plastisch, dass man das Knirschen der Kieselsteine unter den Sandalen der Krieger hören, das Flackern der Papierlaternen sehen und das unheimliche Flüstern eines versteckten Yokai im Wind erahnen kann.
Jede mythologische Kreatur, die in der Geschichte auftaucht, ist nicht nur ein schmückendes Element, sondern fühlt sich tief in der Welt verwurzelt an. Die Oni sind furchteinflößende, blutrünstige Monster mit brennenden Augen und klauenartigen Händen, während die Kitsune mit ihrer schillernden Eleganz und ihren trügerischen Illusionen gleichermaßen faszinierend und gefährlich wirken. Selbst die kleinsten Geister oder Schattengestalten, die in dunklen Winkeln lauern, tragen dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, die gleichermaßen magisch wie unheimlich ist.
Durch diese sorgfältige und detailreiche Weltgestaltung gelingt es Kagawa, ihre Leser tief in das Geschehen eintauchen zu lassen. Man hat das Gefühl, selbst durch die mit Kirschblüten gesäumten Straßen einer alten Stadt zu wandeln oder durch neblige Wälder zu reisen, in denen sich hinter jedem Baumstamm eine neue Legende verbergen könnte. Es ist diese dichte, kunstvoll verwobene Mythologie, die das Buch nicht nur zu einem Abenteuer, sondern zu einem regelrechten Eintauchen in eine magische Parallelwelt macht – ein Highlight für alle, die Fantasy mit kulturellem Tiefgang lieben.
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