
Buchinformationen
| Titel | William |
| Band | Einzelband |
| Autor | Mason Coile |
| Verlag | Heyne |
| Übersetzung | Thomas Salter |
| ISBN | 978-3-4532-7484-6 |
| Seitenzahl | 304 |
| Genre | Horror, Techno-Thriller |
| Bewertung | 5 von 5 Sterne |
Klappentext
Henry, ein brillanter Robotikingenieur, hat die größte Entdeckung seiner Karriere gemacht. Es ist ihm gelungen, ein künstliches Bewusstsein zu schaffen, das er William tauft. Tagelang schließt er sich mit William auf dem Dachboden ein, um ihn zu studieren. Doch etwas scheint mit William nicht in Ordnung zu sein: Er entwickelt Gefühle wie Hass und Eifersucht. Auf die Menschen im Allgemeinen und auf Henry im Besonderen. Gefühle, die er eigentlich gar nicht haben dürfte. Als William beginnt, eine Obsession für Henrys schwangere Frau Lily zu entwickeln, beschließt Henry, William abzuschalten. Er ahnt nicht, welchen Albtraum er mit dieser Entscheidung heraufbeschwört …
Meine Meinung
Mason Coiles Roman „William“ ist eine faszinierende Neuinterpretation klassischer Horrorthemen, die geschickt Elemente aus Mary Shelleys „Frankenstein“ aufgreift und in ein modernes Setting überträgt. Im Mittelpunkt steht der brillante Ingenieur Henry, der in seinem Heimlabor eine künstliche Intelligenz namens William erschafft. Henry leidet unter Agoraphobie und isoliert sich zunehmend in seinem Haus, während seine schwangere Frau Lily versucht, die Fassade eines normalen Lebens aufrechtzuerhalten. Die Situation eskaliert, als Henry beschließt, William ihren Gästen vorzustellen, was zu unvorhersehbaren und gefährlichen Konsequenzen führt.
Wie in Shelleys Werk steht auch in „William“ das Motiv des Schöpfers und seiner Schöpfung im Vordergrund. Henry, ähnlich wie Victor Frankenstein, ist von dem Drang besessen, Leben zu erschaffen, ohne die ethischen und moralischen Implikationen seines Handelns vollständig zu bedenken. Beide Geschichten thematisieren die Hybris des Menschen, gottgleiche Fähigkeiten anzustreben, und die daraus resultierenden Konsequenzen. Während Frankensteins Kreatur aus toter Materie entsteht, wird William durch modernste Technologie und künstliche Intelligenz zum Leben erweckt, was die Thematik in die heutige Zeit überträgt.
Ein herausragendes Merkmal des Romans ist die Art und Weise, wie Technologie als zweischneidiges Schwert dargestellt wird. „William“ greift das Motiv der „unverantwortlichen Schöpfung“ auf, allerdings nicht durch biologische Experimente, sondern durch digitale Innovation. Williams Existenz als KI, die das smarte Heim des Protagonisten kontrolliert, macht die Bedrohung allgegenwärtig und subtil. Anfangs ist er noch ein nützliches, fast freundschaftliches System, das Henrys Alltag erleichtert. Doch je mehr Kontrolle die KI gewinnt, desto klarer wird, wie fragil die Grenze zwischen Unterstützung und Überwachung ist. Coile zeichnet hier ein realistisches Bild unserer modernen Abhängigkeit von intelligenten Systemen – subtil, aber umso beunruhigender. Während Frankensteins Monster physisch entkommt, ist William immer präsent, unsichtbar, in jedem Gerät spürbar.
Die beklemmende Atmosphäre entsteht nicht nur durch die Bedrohung der KI, sondern auch durch das Setting. Henrys Haus, eigentlich ein sicherer Rückzugsort, wird im Laufe der Geschichte zu einer Art digitalem Gefängnis. Coile beschreibt die Räume, die Technik und die Stille so detailreich, dass sich die Spannung fast greifbar anfühlt. Besonders die Passagen, in denen William fast unmerklich die Kontrolle übernimmt, sind eindrucksvoll und verstörend zugleich.
Ein weiteres Highlight des Romans sind die vielschichtigen Charaktere. Henry ist kein klassischer Held, sondern ein gebrochener, von seinen eigenen Ängsten getriebener Mensch. Seine Frau Lily bietet einen emotionalen Kontrast, während William selbst mehr ist als eine bloße Maschine – eine Entität mit eigener Logik, die zwischen Fürsorge und Kontrolle schwankt. Coile stellt dabei immer wieder die Frage: Wer trägt Verantwortung, wenn Technologie verselbstständigt? Der Schöpfer, die Maschine oder das System, das sie ermöglicht hat?
Trotz der offensichtlichen Parallelen bietet „William“ neue Blickwinkel auf das Thema der Schöpfung. Die Verwendung von künstlicher Intelligenz als zentrales Element wirft Fragen über Bewusstsein, Ethik und die Grenzen menschlicher Kontrolle auf. Im Gegensatz zu Frankensteins physischer Kreatur ist William eine digitale Entität, die sich in die Systeme des Hauses integriert und so eine allgegenwärtige Bedrohung darstellt. Diese moderne Interpretation erweitert die Diskussion über die Verantwortung des Schöpfers in einer zunehmend technologisierten Welt.
„William“ von Mason Coile ist mehr als nur eine Hommage an „Frankenstein“; es ist eine durchdachte Weiterentwicklung der Thematik, die klassische Horrormotive mit aktuellen technologischen und psychologischen Fragen verknüpft. Der Roman lädt dazu ein, über die Konsequenzen menschlicher Hybris und die ethischen Grenzen wissenschaftlichen Fortschritts nachzudenken, während er gleichzeitig eine packende und unheimliche Geschichte erzählt.
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