Aiden Thomas: Sol – Die Rache der Obsidians [Rezension]

Cover © Dragonfly

Buchinformationen

TitelSol – Die Rache der Obsidians
Band2 von 2
AutorAiden Thomas
VerlagDragonfly Verlag
ÜbersetzungSylvia Bieker, Ulrike Schimming
ISBN978-3-748-80267-9
Seitenzahl433
GenreContemporary Fantasy
Bewertung3 von 5 Sterne

Klappentext

Teo hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass er ein Held sein könnte. Nun hat er keine andere Wahl. All das Chaos und die Zerstörung in Reino del Sol ist seine Schuld. Nur seinetwegen wurden die auf Rache gesinnten Obsidians aus ihrem Gefängnis befreit. Jetzt ist die ganze Welt in Dunkelheit gehüllt, und Teo, Aurelio und Niya machen sich auf den Weg in die Wildnis von Los Restos. Gefährliche Monster und bedrückende Schuldgefühle machen ihnen das Leben schwer und nur die aufkeimenden Gefühle zwischen Teo und Aurelio sorgen für Ablenkung. Doch die drei sind fest entschlossen, die entführten Semidioses zu retten und den Sol-Stein zu finden, um das Licht zurückzubringen. Das Schicksal der gesamten Welt liegt in ihren Händen.

Meine Meinung

Mit „Sol – Die Rache der Obsidians“ präsentiert Aiden Thomas den zweiten und abschließenden Band seiner „Sol“-Dilogie. Das Buch knüpft nahtlos an den ersten Teil an und führt die Geschichte von Teo fort, der sich einer dunklen Bedrohung stellen muss, um die Welt von Reino del Sol zu retten. Doch trotz der spannenden Prämisse und der wichtigen gesellschaftlichen Themen, die das Buch anspricht, gibt es einige Punkte, die den Lesegenuss trüben.

Die Reise von Teo und seinen Begleitern Aurelio und Niya ist voller Action, magischer Gefahren und emotionaler Konflikte. Das Buch versucht, Leser mit einer Mischung aus Abenteuer und tiefgründigen Themen wie Schuld, Verantwortung und Selbstfindung zu fesseln. Allerdings verliert die Handlung durch ihre Vorhersehbarkeit und zähe Passagen an Spannung. Viele Wendungen sind leicht zu erahnen, und die Konflikte lösen sich oft zu schnell und glatt auf. Die Dramatik leidet darunter, dass entscheidende Probleme fast zu einfach gelöst werden, was der Bedrohung durch die Obsidians einiges an Gewicht nimmt.

Aiden Thomas entwirft in Reino del Sol eine faszinierende Welt voller Gottheiten, magischer Wesen und einer reichhaltigen Mythologie. Leider bleibt diese Weltgestaltung oft oberflächlich. Statt die einzigartige Kultur oder die Lebensweise der Bewohner zu erkunden, liegt der Fokus auf actionreichen Sequenzen. Dabei hätte eine tiefere Beschreibung der Geschichte und Mythologie von Reino del Sol der Handlung mehr Substanz verliehen. Die Welt fühlt sich wie eine interessante Bühne an, deren Details jedoch zu wenig erforscht werden, um sie lebendig wirken zu lassen.

Die Hauptfiguren des Buches durchlaufen zwar eine klassische Heldenreise, doch ihre persönliche Entwicklung bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Statt eines tiefgehenden inneren Wandels erleben die Leser eher eine Reihe von oberflächlichen Veränderungen, die sich mehr aus der Handlung als aus glaubwürdigem Charakterwachstum ergeben. Teo, der zunächst mit starken Schuldgefühlen kämpft, weil er ungewollt die Dunkelheit entfesselt hat, bleibt über weite Strecken in diesem emotionalen Zustand gefangen. Zwar wird seine Schuld immer wieder thematisiert, doch die Art und Weise, wie er damit umgeht, bleibt an der Oberfläche. Es gibt kaum Momente der echten Reflexion oder tiefere Auseinandersetzungen mit seinen Fehlern. Statt eines allmählichen Reifeprozesses entwickelt er sich fast sprunghaft vom verunsicherten Semidios zum entschlossenen Helden, ohne dass dieser Wandel organisch oder nachvollziehbar wirkt. Seine Zweifel scheinen weniger überwunden als vielmehr beiseitegeschoben, was seine Reise weniger berührend und inspirierend macht, als sie sein könnte.

Auch Niya, die als kluge und loyale Freundin eingeführt wird, bleibt in ihrer Rolle als unterstützende Begleiterin gefangen. Sie ist zwar stets an Teos Seite, doch sie erhält kaum Gelegenheit, sich als eigenständige Figur mit eigenen Zielen, Ängsten oder inneren Konflikten zu entfalten. Ihre Handlungen drehen sich fast ausschließlich darum, Teo oder Aurelio zu helfen, wodurch sie zu einer bloßen Erfüllungsgehilfin degradiert wird. Dies ist besonders schade, da sie als Charakter großes Potenzial hat – doch anstatt dieses auszuschöpfen, bleibt sie letztlich eine blasse Nebenfigur, deren persönliche Entwicklung kaum Gewicht bekommt.

Am unglaubwürdigsten ist jedoch die Entwicklung von Xio, dessen Verrat nicht nur überraschend kommt, sondern in vielerlei Hinsicht keinen logischen oder emotional nachvollziehbaren Unterbau erhält. Während die Geschichte versucht, seine Entscheidung als kalkulierte Tat mit tiefgründigen Rachemotiven darzustellen, bleibt sie letztlich unbefriedigend und konstruiert. Zu Beginn erscheint Xio als eine Figur mit Potenzial – noch unsicher und mit einer undurchsichtigen Vergangenheit, die ihn interessant macht. Doch als sich sein Verrat offenbart, wirkt diese Wendung nicht wie das Ergebnis einer inneren Zerrissenheit oder einer langfristigen Entwicklung, sondern eher wie ein plötzlicher dramaturgischer Kniff, um künstlich Spannung zu erzeugen. Es gibt kaum subtile Hinweise oder innere Konflikte, die seine Entscheidung vorbereiten oder sie psychologisch fundiert erscheinen lassen. Zudem widerspricht sein Handeln in entscheidenden Momenten seinem vorherigen Charakterbild, sodass sein Verrat mehr wie eine willkürliche Wendung als eine organische Entwicklung erscheint. Was diesen Aspekt besonders enttäuschend macht, ist das verschenkte Potenzial: Hätte Xios Entscheidung sorgfältiger vorbereitet und emotional nuancierter dargestellt worden, hätte sie eine der tiefgreifendsten Konflikte der Geschichte bieten können. Doch da seine Motivation unklar bleibt und sein Verrat überstürzt wirkt, hinterlässt diese Wendung mehr Frustration als Faszination.

Die queere Liebesgeschichte zwischen Teo und Aurelio nimmt eine zentrale Rolle in der Erzählung ein und setzt gerade für die jugendliche Zielgruppe ein wichtiges Zeichen für Diversität und Repräsentation. In einer literarischen Landschaft, die lange Zeit von heteronormativen Beziehungen dominiert wurde, ist es erfrischend, eine Fantasy-Geschichte zu erleben, in der queere Liebe nicht nur existiert, sondern auch selbstverständlich behandelt wird. Besonders bemerkenswert ist, dass ihre Beziehung nicht als außergewöhnlich oder problematisch dargestellt wird, sondern als natürlicher Teil der Handlung. Dies vermittelt jungen Lesern die Botschaft, dass Liebe in all ihren Formen wertvoll und bedeutsam ist. Indem das Buch queere Figuren in den Mittelpunkt einer epischen Heldenreise stellt, trägt es dazu bei, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und queeren Jugendlichen Identifikationsmöglichkeiten zu bieten.

Diese Repräsentation ist von großer Bedeutung, da sie nicht nur die Vielfalt innerhalb des Genres bereichert, sondern auch jungen Lesern – unabhängig von ihrer eigenen Identität – vermittelt, dass jede Form der Liebe ihre Daseinsberechtigung hat. Die Selbstverständlichkeit, mit der queere Charaktere in die Welt von Reino del Sol integriert werden, sendet ein starkes Signal: Liebe und Identität sind vielfältig, und diese Vielfalt verdient es, in Geschichten gefeiert zu werden. Dennoch wirkt die queere Repräsentation im Buch stellenweise etwas erzwungen, da nahezu jede Figur – ob Semidios oder Dios – Teil der LGBTQ+-Community zu sein scheint. Während es absolut begrüßenswert ist, dass queere Figuren in der Fantasy-Literatur zunehmend Raum erhalten, verliert diese Darstellung in Sol – Die Rache der Obsidians etwas an Natürlichkeit. In einer Welt, die sich durch göttliche Kräfte, Heldenreisen und epische Konflikte definiert, wäre es wünschenswert, wenn queere Identitäten genauso organisch in die Charaktere eingebettet würden wie ihre individuellen Stärken, Schwächen und Persönlichkeiten. Statt ein realistisches Abbild queerer Vielfalt zu schaffen, entsteht mitunter der Eindruck, als sei Diversität hier eher eine Checkliste als ein tief verwobenes Element der Erzählung. Dadurch verlieren einige Charaktere an Authentizität, da ihre Identität mehr wie eine bewusst getroffene Entscheidung des Autors wirkt als eine natürliche Facette ihrer Persönlichkeit. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Vielfalt der Figuren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ stärker ausgearbeitet worden wäre – mit mehr individuellen Konflikten, Entwicklungen und Perspektiven, die der Geschichte zusätzliche Tiefe verleihen.

„Sol – Die Rache der Obsidians“ ist ein Buch, das sich an eine junge Zielgruppe richtet und wichtige Themen wie Diversität und Freundschaft in den Vordergrund stellt. Die Geschichte bietet spannende Abenteuer und interessante Ansätze, doch die unausgereifte Charakterentwicklung, die oberflächliche Weltgestaltung und die erzwungene Diversität mindern den Gesamteindruck.

Aiden Thomas hat mit dieser Dilogie zweifellos einen positiven Beitrag zur jugendlichen Fantasyliteratur geleistet, doch das Potenzial, etwas wirklich Herausragendes zu schaffen, wurde nicht vollständig ausgeschöpft. Fans von Geschichten mit inklusivem Ansatz werden dennoch ihre Freude daran haben.

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