Amie Kaufman, Jay Kristoff: Aurora erwacht [Rezension]

Buchinformationen

TitelAurora erwacht
Band1 von 3
AutorAmie Kaufman, Jay Kristoff
VerlagFischer Sauerländer
ÜbersetzungNadine Püschel
ISBN978-3-7373-5670-1
Seitenzahl496
GenreScience-Fiction
Bewertung4 von 5 Sterne

Klappentext

Tyler, frisch ausgebildeter Musterschüler der besten Space Academy der ganzen Galaxie, freut sich auf seinen ersten Auftrag. Als sogenannter „Alpha“ steht es ihm zu, sein Team zusammenzustellen – und er hat vor, sich mit nichts weniger als den Besten zufrieden zu geben. Tja, die Realität sieht anders aus: Er landet in einem Team aus Losern und Außenseitern:
Scarlett, die Diplomatin – Sarkasmus hilft immer (not.)
Zila, die Wissenschaftlerin – dezent soziopathisch veranlagt
Finian, der Techniker – besser: der Klugscheißer
Kaliis, der Kämpfer – es gibt definitiv Menschen, die ihre Aggressionen besser unter Kontrolle haben
Cat, die Pilotin – die sich absolut nicht für Tyler interessiert (behauptet sie zumindest)
Doch dieses Katastrophenteam ist nicht Tylers größtes Problem. Denn er selbst ist in den verbotenen interdimensionalen Raum vorgedrungen und hat ein seit 200 Jahren verschollenes Siedlerschiff gefunden. An Bord 1.000 Tote und ein schlafendes Mädchen: Aurora. Vielleicht hätte er sie besser nicht geweckt. Ein Krieg droht auszubrechen – und ausgerechnet sein Team soll das verhindern. Ouuups. Don’t panic!

Meine Meinung

In „Aurora erwacht“ von Jay Kristoff und Amie Kaufman wird Tyler, der Musterschüler der Space Academy, unerwartet von der wichtigen Auslese abgehalten, bei der die Teams für zukünftige Missionen zusammengestellt werden. Stattdessen entdeckt er zufällig ein seit 200 Jahren verschollenes Raumschiff und rettet dessen einzige Überlebende. Zurück an der Akademie findet er sich in einem Team von Außenseitern und Eigenbrötlern wieder, das er als Alpha anführen soll. Das Buch bildet den Auftakt einer Sci-Fi-Trilogie, die vor allem auf Jugendliche abzielt.

Das Buch erzählt die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven der verschiedenen Squad-Mitglieder und spiegelt dabei ihre individuellen Eigenheiten und Persönlichkeiten wider. Dieser Ansatz gibt den Figuren Tiefe und macht die Erzählung vielseitig. Besonders der Humor, der die Seiten durchzieht, trägt dazu bei, die Handlung lebendig und authentisch wirken zu lassen. Auch einige anzügliche Witze fügen sich gut in den lockeren Ton ein. Allerdings schlägt die Darstellung an einigen Stellen über die Stränge: Die übermäßige Sabberei wirkt störend und nimmt der Geschichte viel von ihrem Reiz. An manchen Stellen gerät der Stil dadurch fast ins Plumpe, was selbst der sonst flüssige und lockere Schreibstil nicht vollständig ausgleichen kann.

Der Schreibstil des Buches ist zwar jugendlich gehalten, wirkt jedoch eher wie eine Vorstellung davon, was Erwachsene für „hip“ und „cool“ halten könnten. Leider führt das oft zu Situationen, die eher peinlich wirken und zum Fremdschämen einladen, da der Tonfall weder authentisch noch glaubwürdig erscheint. Weder Jugendliche noch junge Erwachsene würden in der Realität so sprechen, was die Dialoge und Beschreibungen stellenweise unnatürlich und konstruiert wirken lässt.

Im Zuge dieser stilistischen Überzeichnungen wirken einige Charaktere leider stark übertrieben und eindimensional. Ein besonders auffälliges Beispiel ist Scarlett, Tylers Schwester. Ihre gesamte Persönlichkeit scheint auf ihre körperlichen Reize reduziert zu sein, was sie eher wie ein Klischee denn wie eine vielschichtige Figur erscheinen lässt. Ihre Dialoge und Handlungen drehen sich oft um Oberflächlichkeiten, wodurch sie im Vergleich zu anderen Charakteren wenig Tiefgang entwickelt.

Der Charakter, der jedoch am meisten negativ auffällt und dabei die Geduld der Leser auf die Probe stellt, ist ausgerechnet die namensgebende Figur der Reihe: Aurora. Sie wird durchweg als etwas ganz Besonderes dargestellt – mehr als alle anderen Figuren – was sie deutlich in den Mittelpunkt rückt, ohne dass sie sich diesen Status tatsächlich verdient. Aurora ist permanent mit Sabbern, Schwärmen und Oberflächlichkeiten beschäftigt, was sie oft unreif und wenig greifbar wirken lässt. Trotz dieser Schwächen wird sie als nahezu makellos präsentiert, sowohl im Hinblick auf ihre Rolle in der Geschichte als auch durch ihre Darstellung als das Coverface. Im Verlauf des ersten Bandes fällt außerdem auf, dass Aurora kaum aktiv etwas zu ihren Errungenschaften beiträgt. Vielmehr scheint ihr alles, was sie erreicht, nahezu mühelos in den Schoß zu fallen. Ob es ihre Fähigkeiten, ihre Bedeutung für die Handlung oder gar ihre vorhersehbare Lovestory betrifft – all dies wird ihr auf eine Weise geschenkt, die jede Spannung aus ihrer Entwicklung nimmt. Diese erzählerische Bevorzugung lässt sie im Vergleich zu den anderen Figuren, die mit ihren Eigenheiten und Konflikten oft faszinieren, flach und unausgegoren erscheinen.

Trotz der Schwächen in der Darstellung mancher Charaktere bietet das Buch auch viele positive Beispiele, die deutlich herausstechen. Einige Figuren glänzen mit facettenreichen Persönlichkeiten und spannenden Hintergründen, die sie nicht nur lebendig, sondern auch authentisch und nachvollziehbar machen. Ein besonders gelungenes Beispiel ist Finnian, dessen schlagfertige Art und bissiger Humor immer wieder für unterhaltsame und erfrischende Momente sorgt. Seine freche Schnauze lockert selbst ernste Szenen auf und verleiht ihm eine charmante Unverwechselbarkeit, die ihn schnell zum Liebling vieler Leser machen könnte.

Auch Cat sticht mit ihrer rebellischen, punkigen Art aus der Gruppe hervor. Ihre unkonventionelle Einstellung, gepaart mit einem Hauch von Verletzlichkeit, verleiht ihrer Figur eine greifbare Tiefe. Sie ist nicht nur eine Figur, die durch ihren Mut und ihre Stärke beeindruckt, sondern auch jemand, der durch Ecken und Kanten sympathisch und realistisch wirkt. Diese gelungenen Charaktere heben das Buch auf ein höheres Niveau und laden dazu ein, tiefer in die Geschichte einzutauchen.

Das größte Manko der Geschichte zeigt sich jedoch bereits im ersten Band: Es wird angedeutet, dass fast alle Hauptfiguren in romantischer Hinsicht zueinander finden, was schnell unrealistisch und klischeehaft wirkt. Besonders problematisch ist dabei die Beziehung zwischen Aurora und Kaliis, da diese von Anfang an erzwungen und künstlich erscheint. Bei Kaliis’ Volk, den Syldrathi, existiert ein Prägungssystem, das stark an das der Werwölfe aus „Twilight“ erinnert. Sobald sich ein Syldrathi auf eine andere Person prägt, wird diese zu seiner Seelenverwandten – eine Verbindung, die unausweichlich und unwiderruflich ist. Genau dies geschieht zwischen Aurora und Kaliis, wodurch ihrer Beziehung jede Chance genommen wird, sich auf natürliche und authentische Weise zu entwickeln. Statt einer organischen Annäherung entsteht eine vorgegebene Partnerschaft, die ihrer Dynamik jede Spannung raubt und ihre Interaktionen oft mechanisch wirken lässt. Nicht zuletzt, weil es keine Probleme gibt. Aurora hätte schließlich auch zunächst anders empfinden können. Das tut sie jedoch nicht. Diese erzwungene Romantik schwächt nicht nur die Glaubwürdigkeit der Figuren, sondern auch die emotionale Tiefe der Geschichte insgesamt.

Die Geschichte nimmt zwar anfangs nur langsam Fahrt auf und braucht eine Weile, um den Leser wirklich zu fesseln, doch trotz der zahlreichen Schwächen entfaltet sie schließlich ihren eigenen Charme. Sobald die Handlung an Fahrt gewinnt und die Charaktere mehr miteinander interagieren, wird man zunehmend in das Universum hineingezogen. Auch wenn manche Elemente klischeehaft oder vorhersehbar wirken, schafft es die Geschichte dennoch, mit spannenden Wendungen und temporeichen Szenen zu überzeugen. Sie punktet vor allem mit einer lebhaften, dynamischen Erzählweise und einem Mix aus Action, Humor und emotionalen Momenten, die dafür sorgen, dass man über die Schwächen hinwegsehen kann. Am Ende hinterlässt sie einen bleibenden Eindruck und weckt das Interesse daran, wie die Geschichte weitergehen könnte. Es ist dieser trotzige Funke, der das Buch zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis macht, auch wenn es nicht ohne Makel ist.

„Aurora erwacht“ ist ein Roman, der etwas Geduld erfordert, um sein Potenzial zu entfalten. Es ist eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss, um ihren besonderen Charme und ihre Stärken zu erkennen. Doch wer bereit ist, über die Schwächen hinwegzusehen und der Handlung eine echte Chance zu geben, wird mit unterhaltsamen Lesestunden belohnt. Trotz mancher Klischees und erzählerischer Stolpersteine bietet das Buch spannende Abenteuer, lebendige Charaktere und Momente, die im Gedächtnis bleiben und neugierig auf die Fortsetzung machen.

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