
Buchinformationen
Als Nachtengel ist Kylar Stern der Avatar der Rache und der Gerechtigkeit – aber auch der Barmherzigkeit. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er sich für den Schutz eines Kindes in Lebengefahr begibt. Er wird alles tun, um es aus der Macht seiner Gegner zu befreien, bevor diese es für ihre finsteren Zwecke benutzen können. Aber was wird der Nachtengel tun, wenn der Junge zwar unschuldig und Kylars Feinde wahrhaft bösartig sind – doch die magischen Kräfte des Kindes eine Bedrohung für die ganze Welt darstellen …?
Meine Meinung
Fantasy-Fans kennen und schätzen die Werke von Brent Weeks, dessen Schatten-Trilogie Millionen Leser in ihren Bann gezogen hat. Mit „Nachtengel – Gemini“ erweitert er das düstere Universum dieser epischen Saga und entführt seine Leser in eine Welt voller Magie, Gewalt und innerer Konflikte.
In „Nachtengel – Gemini“ schafft Brent Weeks eine düstere Welt, die sowohl brutal als auch verführerisch ist. Die Stadt Cenaria, die bereits in den Vorgängerbänden als Schauplatz dient, ist ein gefährliches Pflaster, in dem die Korruption allgegenwärtig ist und das Gesetz der Straße das Überleben regelt.
Brent Weeks‘ Schreibstil entfaltet seine volle Kraft: Er ist nicht nur präzise und detailreich, sondern auch von einer Intensität und atmosphärischen Dichte, die ihresgleichen sucht. Jedes Wort scheint genau auf die düstere Szenerie der Handlung abgestimmt zu sein, sodass der Leser unweigerlich in die von Wochen erschaffene Welt hineingezogen wird. Es ist eine Welt, die nichts beschönigt – eine brutale, kompromisslose Realität, in der die Grenze zwischen Gut und Böse sich stets im Schatten verliert und Grauzonen das Leben bestimmen.
Weeks gelingt es, die dunkle, labyrinthische Struktur der Stadt Cenaria so lebendig zu beschreiben, dass man sich beinahe in ihren Gassen verliert, bedrängt von der Kälte und Gefahr, die wie eine unsichtbare Macht über der Stadt liegen. Gewalt und Verrat lauern hinter jeder Ecke, und die Bewohner Cenarias kämpfen in einer verzweifelten Suche nach Macht oder Sicherheit – oder sie kämpfen einfach nur ums Überleben. Weeks’ Schilderungen sind dabei so schonungslos wie fesselnd: Sie vermitteln die moralische Zerrissenheit, die in jeder Figur pulsiert, und machen die ständige Bedrohung spürbar, die sich wie ein bleierner Schleier über Cenaria legt.
Die Atmosphäre, die Brent Weeks erschafft, ist mehr als nur Kulisse; sie ist eine vibrierende, allumfassende Präsenz, die sich wie Nebel durch jede Seite zieht und die Handlung so dicht durchdringt, dass sie fast greifbar wird. Wochen verwebt Dunkelheit und Spannung in seine Sätze, sodass sie die Geschichte nicht nur begleiten, sondern sie formen und färben – wie eine unsichtbare Kraft, die die Charaktere antreibt, hemmt und bisweilen zu verschlingen droht. Jede Szene scheint im Schatten zu stehen, mit einem Hauch von Gefahr in der Luft, der wie ein drückendes Gewicht auf den Charakteren lastet und ihre Entscheidungen beeinflusst. Die Dunkelheit ist hier nicht nur eine Frage von Licht oder Dunkelheit; sie ist ein innerer Zustand, ein Echo in den Herzen der Figuren und ein Spiegelbild der Stadt selbst, die von Gewalt und Geheimnissen erfüllt ist. Die Spannung, die aus dieser düsteren Umgebung erwächst, ist von einer Intensität, die den Leser in ständiger Anspannung hält – sie ist wie eine lauernde Bedrohung, die immer spürbar, aber nie ganz fassbar ist.
Es gibt Momente, in denen die Atmosphäre so dicht wird, dass man das Gefühl hat, selbst durch die verwinkelten Straßen Cenarias zu streifen, durch enge, feuchte Gassen, in denen die Dunkelheit allgegenwärtig ist und sich jede Bewegung bedrohlich anfühlt. Es ist eine Welt, in der das Licht selbst kalt wirkt, wo jede flackernde Flamme mehr Geheimnisse offenbart, als sie verbirgt. Weeks lässt die Atmosphäre atmen und pulsieren, und es ist, als würde die Stadt selbst mit einer finsteren Lebendigkeit erwachen und den Leser in ihren Bann ziehen – unerbittlich, unentrinnbar.
Leider zeigt die Handlung an manchen Stellen leichte Risse, die sich besonders dort offenbaren, wo die Erzählung ins Stocken gerät und in eine Schleife zu fallen scheint. Weeks schafft es zwar, die Spannung der düsteren Welt aufrechtzuerhalten, doch gelegentlich verliert sich die Handlung in Wiederholungen, die sich um Kylars innere Konflikte drehen, ohne dabei spürbaren Fortschritt oder neue Einsichten zu bieten. So wirkt die Geschichte manchmal, als würde sie sich im Kreis drehen, als ob Kylar in einem Netz aus Schuld und Verlangen gefangen wäre, aus dem er nicht ganz entkommen kann.
Ein weiteres Element, das diesen Eindruck verstärkt, ist Kylars ausgeprägte Fixierung auf Körperliches, die sich durch viele seiner Gedanken zieht. Was zunächst als eine Reflexion über seine eigene Sterblichkeit und die physischen Opfer seines Lebens als Assassine verstanden werden könnte, nimmt schließlich eine Schwere an, die andere Facetten seines Charakters in den Hintergrund drängt. Es scheint fast, als würde sich Kylars Gedankenwelt allzu häufig um die sinnlichen und körperlichen Aspekte seines Daseins drehen, wodurch andere, vielleicht spannendere Aspekte seines inneren Konflikts und seiner Charakterentwicklung in den Schatten gestellt werden. Dieser Fokus auf Körperlichkeit lenkt von der eigentlichen Tiefe der Geschichte und den moralischen Herausforderungen, vor denen Kylar steht, gelegentlich ab. Die anhaltende Auseinandersetzung mit seinen körperlichen Empfindungen – fast wie eine Fixierung – gibt zwar einen Einblick in seine Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit, doch wiederholt sie sich so oft, dass sie mit der Zeit an Ausdruckskraft verliert und die Dynamik der Handlung hemmt. So bleibt der Leser manchmal mit dem Wunsch zurück, mehr von der inneren Entwicklung Kylars zu erfahren, von seinen Kämpfen um Erlösung und Freiheit, ohne dass diese durch körperliche Fixationen überschattet werden.
Zusammenfassend ist „Nachtengel – Gemini“ ein gelungenes Werk, das trotz einiger erzählerischer Längen und stellenweise weniger tiefgehender Charakterentwicklung eine spannende Fortsetzung der „Nightangel“-Saga bietet. Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten.
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